Fugen-s und Bindestrich:
Gesundheitspodcast, Gesundheits-Podcast oder Gesundheit-Podcast?

Frage

Ich habe ein Werbebanner für unsere Podcasts zur Begutachtung bekommen. Da steht dann:

Der Gesundheits-Podcast
Jetzt reinhören!

Mich stört irgendwie diese Schreibweise: „Der Gesundheits-Podcast“. Wäre das korrekt nicht eher „Der Gesundheitspodcast“? Das ist natürlich dann nicht so gut und schnell lesbar auf den ersten Blick, weil recht lang. Oder dann „Der Gesundheit-Podcast“ ohne „s“? Das wäre dann wieder besser lesbar, weil mit Bindestrich.

Welches ist die grammatikalisch korrekte Form? Im Netz findet man leider alle drei Varianten. Was würden Sie uns empfehlen, damit sowohl die Grammatik stimmt wie auch die Lesbarkeit garantiert ist.

Antwort

Guten Tag Frau W.,

ob man ein Fugen-s verwendet oder nicht, hängt davon ab, wie andere Zusammensetzungen mit dem gleichen Wort an erster Stelle gebildet werden. Zusammensetzungen mit Gesundheit an erster Stelle werden immer mit einem Fugen-s gebildet. Zum Beispiel:

Gesundheitsbehörde, gesundheitsbewusst, Gesundheitsexpertin, Gesundheitsfürsorge, Gesundheitsgefährdung, Gesundheitspolitik, Gesundheitsquiz, gesundheitsschädigend, Gesundheitswesen, Gesundheitszustand

Deshalb sollte auch diese Zusammensetzung mit einem Fugen-s geschrieben (und gesprochen) werden:

Der Gesundheitspodcast
Jetzt reinhören!

Dies ist auch gleich die Schreibweise, die ich nach der Rechtschreibregelung empfehlen würde. Da ich Gesundheitspodcast für gut lesbar halte, finde ich den Bindestrich nicht notwendig.

Wenn Sie einen „verdeutlichenden“ Bindestrich setzen wollen oder müssen, kann er nicht das Fugen-s ersetzen. Das s bleibt auch vor dem Bindestrich erhalten:

der Gesundheits-Podcast
Jetzt reinhören!

Diese Schreibweise gilt ebenfalls als korrekt, denn es ist nicht „verboten“, den Bindestrich in Zusammensetzungen mit einem Fugenelement zu verwenden. Nicht korrekt ist – auch auf Werbebannern – die Schreibung ohne s (*Gesundheit-Podcast) oder die Getrenntschreibung (*Gesundheits Podcast).

Hier noch ein paar Beispiele von Zusammensetzungen, bei denen es häufiger „schiefgeht“:

Versicherungsportal / Versicherungs-Portal
Lieblingsfoodblog / Lieblings-Foodblog
Überlebenstraining / Überlebens-Training

Wie sehr häufig würde ich hier überall die Schreibung ohne den „verdeutlichenden“ Bindestrich vorziehen, aber korrekt ist jeweils beides.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Mitarbeitendenbefragung oder Mitarbeitendebefragung?

Frage

Bei uns in der Firma gab es bislang immer eine Mitarbeiterbefragung. In diesem Jahr ist es nun eine Mitarbeitendenbefragung. Müsste es nicht eine Mitarbeitendebefragung sein?

Antwort

Guten Tag Frau K.,

richtig ist die Zusammensetzung mit dem Fugenelement (e)n:

Mitarbeitendenbefragung

Zusammensetzungen mit einem substantivierten Adjektiv oder Partizip an erster Stelle werden immer mit (e)n gebildet. In der Regel ist das erste Element dabei einen Personenbezeichnung:

Krankenhaus
Bestenliste
Einheimischenmodell

Angestelltenversicherung
Behindertensport
Vermisstenanzeige

Studierendenberatung
Teilnehmendenliste
Mitarbeitendenbefragung

Wichtig ist hier nicht, ob das erste Element der Zusammensetzung in der Einzahl oder Mehrzahl gemeint ist oder in welche Satzkonstruktion man die Zusammensetzung umwandeln könnte (zum Beispiel: Befragung der Mitarbeitenden, Mitarbeitende befragen). Wichtig ist hier nur, dass das erste Wort in der Zusammensetzung ein substantiviertes Adjektiv oder Partizip ist. Dann verwendet man das Fugenelement (e)n. Das ist eine der wenigen festen Regeln bei Verwendung der Fugenelemente in Zusammensetzungen. Siehe auch diese Angaben in der LEO-Grammatik.

Verbindungen mit einem substantivierten Präsenspartizip an erster Stelle kommen übrigens im Rahmen des genderneutralen Formulierung immer häufiger vor. Ich finde sie nicht gerade schön, oft kann man anders fomulieren (zum Beispiel: Studienberatung, Teilnahmeliste, Personalbefragung), aber manchmal sie sind einfach praktisch und präzis.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Verwaltung GmbH, Verwaltungs-GmbH, Verwaltungs GmbH oder Verwaltung-GmbH?

Frage

Auf Briefpapieren (unserer Firma bzw. unserer Lieferanten) wird als persönlich haftende Gesellschafterin, die „Verwaltungs GmbH“ oder „Verwaltung GmbH“ oder „Verwaltungs-GmbH“ oder „Verwaltung-GmbH“ angegeben. Vier Möglichkeiten und nur eine richtig?
 Ich hoffe, dass Sie nicht noch eine Variante aus dem Hut zaubern, sondern es bei einer einzigen Möglichkeit belassen.

Antwort

Guten Tag Herr B.,

bei der Namensgebung ist man nicht verpflichtet, sich an die Rechtschreibregelung zu halten. Insofern sind alle Schreibweisen möglich. Wenn Sie sich an die Rechtschreibregelung halten wollen oder müssen, dann gibt es, je nachdem wie der Firmenname genau aufgebaut ist, zwei Möglichkeiten:

  1. Müller Verwaltungs-GmbH
    (= Müller Verwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung)
  2. Müller Verwaltung GmbH
    (= Müller Verwaltung, Gesellschaft mit beschränkter Haftung)

Im ersten Fall lautet der Name der Firma Müller Verwaltungsgesellschaft. Gesellschaft (mbH) ist in den Namen integriert. Im zweiten Fall heißt die Firma Müller Verwaltung mit dem Zusatz GmbH. Welche Schreibung Sie wählen, hängt also davon ab, ob Sie es mit der Firma Müller Verwaltungsgesellschaft mbH (mit Fugen-s und Bindestrich) oder mit der Firma Müller Verwaltung GmbH (ohne Fugen-s und ohne Bindestrich) zu tun haben.

Das gilt auch für andere Namen dieser Art:

  1. Polarfuchs Sportbekleidungs-GmbH
    (= Polarfuchs Sportbekleidungsgesellschaft mit beschränkter Haftung)
  2. Polarfuchs Sportbekleidung GmbH
    (= Polarfuchs Sportbekleidung, Gesellschaft mit beschränkter Haftung)
  1. SB Sicherheits-AG
    (= SB Sicherheits-Aktiengesellschaft)
  2. SB Sicherheit AG =
    (SB Sicherheit, Aktiengesellschaft)

Ein schneller Blick ins Internet oder ein beliebiges Firmenverzeichnis zeigt allerdings, dass sich bei Weitem nicht alle an die Rechtschreibregelung halten, wenn es um den Firmennamen geht. Das ist nicht weiter schlimm, doch wenn Sie es gemäß den Rechtschreibregeln machen wollen, wissen Sie nun, wie es geht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Vierzehntagesfrist oder 14-Tage-Frist: es oder e und wie viele Bindestriche?

Frage

Bei der Angabe von Fristen stolpere ich immer wieder über die Problematik der Setzung eines Fugen-s und der Bindestriche. Hier mein konkretes Beispiel: „14-Tage-Frist“.

Die Regeln habe ich mir schon mehrfach angeschaut. Wenn ich auf die Suche im Internet gehe, finde ich alle möglichen, zum Teil auch sicher falsche Schreibweisen und weiß daher nicht, wie ich es richtig machen soll bzw. welche Variationsmöglichkeiten ich habe.

Ich würde die Schreibweise „14-Tage-Frist“ für richtig halten, möglich erscheint mir auch „14-Tagesfrist“. Ich finde aber auch „14-Tages-Frist“ und „14-Tagefrist“. Was ist richtig?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

Vierzehntagefrist oder Vierzehntagesfrist? Bildet man diese Zusammensetzung mit dem Fugenelement e oder es? Die Form der Kompositionsfuge hat im heutigen Deutschen meistens keine Bedeutung mehr. Die Fugenelemente sind aus Genitiv- und Pluralendungen entstanden, sie haben aber ihre Bedeutung weitgehend verloren. Weiter gibt es nur wenige feste Regeln für die Verwendung der Fugenelemente. Beim Wort Tag in Zusammensetzungen greift keine dieser Regeln. Richtig ist dann, was üblich ist.

Bei der Zusammensetzung, um die es in Ihrer Frage geht, sind zwei Formen üblich: einerseits Vierzehntagesfrist wie Tagesfrist, andererseits Vierzehntagefrist wie Dreitagebart oder Fünftagewoche. Ich würde die Variante mit e wählen, die Variante mit es ist aber ebenfalls gebräuchlich und nicht falsch. Die Fugenelemente e und es haben, wie gesagt, die Bedeutung ‘Plural’ bzw. ‘Genitiv’ weitgehend verloren.

Geschrieben wird so, wie die Form ausgesprochen wird, also mit e oder mit es. Es gibt nach der Rechtschreibregelung die folgenden Möglichkeiten:

Vierzehntagefrist / 14-Tage-Frist
Vierzehntagesfrist / 14-Tages-Frist

Nicht richtig ist hier die Schreibweise mit nur einem Bindestrich nach 14 (also nicht: *14-Tagefrist o. *14-Tagesfrist). Bei Zusammensetzungen mit Wortgruppen mit Ziffern steht zwischen allen Teilen der Zusammensetzung ein Bindestrich (zum Beispiel: 100-Meter-Lauf, 4-Zimmer-Wohnung, 7-Monats-Kind neben Hundertmeterlauf, Vierzimmerwohnung, Siebenmonatskind).

Die Wahl des Fugenelementes und der Schreibweise liegt bei Ihnen. Wenn Sie eine der vier Varianten gewählt haben, sollten Sie allerdings innerhalb eines Textes oder einer Textreihe möglichst dabei bleiben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wieder einmal das Fugenelement: Zedernüsse oder Zedernnüsse?

Frage

Mir ist gerade das Wort „Zedernüsse“ über den Weg gelaufen. Ich würde „Zedernnüsse“ bevorzugen (analog zu beispielsweise „Zedernholz“ oder „Fichtennadeln“ ). Zahlreiche Produktverpackungen tragen allerdings den Namen mit einfachem n. Was ist korrekt?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

allgemein gültige Regeln dafür, ob bei der Substantivzusammensetzung ein Fugenelement wie n oder s verwendet wird, gibt es nur wenige. Eine allgemeine Faustregel sagt, dass (mehr oder weniger) neue Zusammensetzungen gleich gebildet werden wie andere Zusammensetzungen mit dem gleichen Wort an erster Stelle. Wörter wie „Fichtennadeln“ und „Tannenzapfen“ helfen hier also nicht weiter, denn sie haben ja ein anderes Wort an erster Stelle. Aussagekräftiger sind Bildungen wie „Zedernholz“ und „Zedernwald“. Demnach ist es auch „Zedernnuss“, so wie Sie es bevorzugen.

Eine andere „Regel“ in diesem Bereich lautet: Richtig ist, was üblich ist. Ein kurzer Blick ins Internet zeigt, dass „Zedernuss“ und „Zedernüsse“ häufiger vorkommt als „Zedernnuss“ und „Zedernnüsse“. So findet sich zum Beispiel auch in Wikipedia ein Eintrag mit dem Titel „Zedernussöl“. Das Fehlen eines Fugenelementes ist hier erklärbar: Vor dem n von „-nüsse“ ist bei normaler Aussprache nicht zu hören, ob das Wort ein Fugen-n hat oder nicht.

Was ist also richtig? Ich würde „Zedernnüsse“ wählen und empfehlen. Ich halte aber „Zedernüsse“ nicht für grundsätzlich falsch, weil es häufig vorkommt und nur gegen eine Faustregel, nicht gegen eine allgemein gültige Regel verstößt. Ob mit oder ohne Fugen-n, wichtig ist vor allem, dass das Zeder[n]nussöl schmeckt!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Bindestrich nach Fugen-s:
Ausführungsbestimmungs-konform oder ausführungsbestimmungskonform?

Frage

Wegen des Fugen-s besteht Unsicherheit, welche Möglichkeiten man hat, folgende Wortzusammensetzung zu schreiben.

1) Ausführungsbestimmungs-konform
2) ausführungsbestimmungskonform

Falls beide Möglichkeiten gehen, was ist die Empfehlung?

Antwort

Guten Tag A.,

die Rechtschreibregelung „verbietet“ es nicht, einen Bindestrich auf ein Fugenelement folgen zu lassen. Stilistisch ist es meist nicht sehr überzeugend, direkt nach einem Fugenelement einen Bindestrich zu schreiben. Schließlich gibt ja das Fugenelement schon an, wo die Trennstelle zwischen den beiden Wortteilen liegt. Bei unübersichtlichen und sehr (oder viel zu) langen Zusamensetzungen ist dennoch die Bindestrichschreibung anzuraten:

Hochgeschwindigkeits-Internetzugang
(oder: Hochgeschwindigkeitsinternetzugang)

Manchmal ist der Bindestrich auch obligatorisch, zum Beispiel in Zusammensetzungen mit Abkürzungen:

Installations-ID
Fugen-s

Für das Wort in Ihrer Frage sind somit beide Schreibungen möglich. Ich neige allgemein dazu, die Schreibungen mit „verdeutlichendem“ Bindestrich für gar nicht so verdeutlichend zu halten und die Zusammenschreibung zu wählen:

ausführungsbestimmungskonform
die ausführungsbestimmungskonforme Verarbeitung personengebundener Daten

Hier kommt hinzu, dass der Bindestrich bei Substantiv-Adjektiv-Zusammensetzungen bewirkt, dass das Gesamtwort einen großen Anfangsbuchstaben erhält, obwohl es ein Adjektiv ist. Das macht nach meinem Empfinden die durch den Bindestrich gewonnene Verdeutlichung wieder zunichte:

Ausführungsbestimmungs-konform
die Ausführungsbestimmungs-konforme Verarbeitung personengebundener Daten

In diesem Fall würde ich – wenn irgendwie möglich – sowieso eine weniger „bürokratische“, lesefreundlichere Variante wählen wie zum Beispiel:

den Ausführungsbestimmungen konform
mit den Ausführungsbestimmungen konform

eine [mit] den Ausführungsbestimmungen konforme Verarbeitung personengebundener Daten
personengebundene Daten in Übereinstimmung mit den Ausführungsbestimmungen [zu] verarbeiten

Formulierungen dieser Art sind zwar länger, aber für das nicht an Behördendeutsch gewöhnte Auge wahrscheinlich schneller und einfacher zu verstehen. Meine Empfehlung, allzu lange Wörter zu vermeiden, ist letztlich aber Ansichts- oder Geschmackssache. Streng nach Regeln sind, wie gesagt, sowohl „ausführungsbestimmungskonform“ als auch „Ausführungsbestimmungs‑konform“ mögliche Schreibungen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Unfallhilfswagen oder Unfallhilfewagen?

Es wurde hier schon öfter erwähnt: Die Fugenelemente in Zusammensetzungen gehören zu den kniffligen Phänomenen für Deutschlernende, und auch von Geburt an Deutschsprachige können immer wieder verunsichert werden. Das liegt daran, dass es nur wenige feste Regeln und dennoch keine allzu große Freiheit gibt.

Frage

In München sind Autos der städtischen Verkehrsgesellschaft MVG mit der Aufschrift „Unfallhilfswagen“ unterwegs. Für mich klingt das, als ob der Wagen den Unfall unterstützt (wie „Hilfsorganisation“ oder „Hilfsverb“). Wäre nicht „Unfallhilfewagen“ (mit Fugen-e statt Fugen-s) besser, analog zur „Hilfeleistung“, die ja auch etwas anderes ist als eine „Hilfsleistung“?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

die Art des Fugenelementes in einer Zusammensetzung sagt in der Regel nichts oder nur wenig über die Gesamtbedeutung der Zusammensetzung aus. So bin ich zum Beispiel nicht sicher, inwieweit „Hilfsleistung“ wirklich eine andere Bedeutung hat als „Hilfeleistung“. Ich kann Bedeutungsunterschiede konstruieren (z. B. „Hilfsleistungen“ sind finanzieller Art), ich vermute aber, dass „Hilfsleistung“ oft einfach eine weniger gebräuchliche Variante von „Hilfeleistung“ ist und ohne Bedeutungsunterschied gegen dieses ausgetauscht werden kann (siehe auch unten zum „e“ in „Hilfeleistung“).

Die meisten Zusammensetzungen mit „Hilfe“ an erster Stelle werden mit einem Fugen-s gebildet, und dies unabhängig von der Bedeutung, die „Hilfe” in der Zusammensetzung hat (vgl. Hilfsarbeiter = ungelernter Arbeiter, Hilfsbrücke = vorübergehend angelegte Ersatzbrücke vs. Hilfsaktion = Aktion für Hilfe an Notleidende, Hilfsdienst = Organisation für Hilfe in Notfällen).

Eine Gruppe von Ausnahmen sind Zusammensetzungen mit Verbalabstrakta, bei denen der Einfluss des zugrundeliegenden Verbs noch fühlbar ist: „Hilfeleistung“, „Hilfestellung“, „Hilfeersuchen“. Auch dort, wo das Wort „Hilfe“ gemeint ist, wird nicht mit s verbunden: „Hilferuf“, „Hilfeschrei“, „Hilfefunktion“ (häufig über die Schaltfläche „Hilfe“ aufrufbar[?]).

Dies alles gilt für einfaches “Hilfe”. Es geht mir hier vor allem darum, aufzuzeigen, dass die Wahl zwischen Fugen-s und Fugen-e wenig mit der Bedeutung oder mit Bedeutungsunterschieden zu tun hat.

Bei Zusammensetzungen mit Wörtern wie „Berghilfe“, „Nothilfe“, „Opferhilfe“, „Pflegehilfe“, „Staatshilfe“, „Unfallhilfe“ usw. an erster Stelle ist die Lage noch unklarer. Hier scheinen Verbindungen mit Fugen-e üblicher zu sein: „Berghilfegelder“, „Nothilfepass“, aber auch “Opferhilfswerk” (unter dem Einfluss von „Hilfswerk“, „Hilfswerk für Opfer“?). Die geringe Anzahl Beispiele lässt hier keinen klaren Schluss zu.

Dann gilt der Grundsatz, dass richtig ist, was üblich ist. Zum Beispiel in München und bei der Bahn ist offensichtlich „Unfallhilfswagen“ (wie „Unfallhilfsdienst“?) üblich. Das Wort hat es übrigens in dieser Form auch in Wikipedia geschafft.

Spontan hätte übrigens auch ich „Unfallhilfewagen“ gesagt, aber als falsch kann ich, wie erläutert, „Unfallhilfswagen“ nicht bezeichnen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Rindfleisch, die Rindsleber und das Fugen-s

Frage

Meine Frau und ich würden gerne wissen: Warum „Rindfleisch“ ohne Fugen-s, aber „Rindsleber“ mit? Vielen Dank!

Antwort

Guten Tag Herr S.,

bei den Fugenelementen gibt es einige wenige feste Regeln (zum Beispiel: immer „s“ nach u. a. „-heit“, „-keit“, „-ung“, „-tion“ und substantivieren Infinitiven; vgl. hier und hier). Neben den allgemeinen Regeln und Tendenzen gilt, grob gesagt, dass richtig ist, was üblich ist. Das klingt und ist nicht sehr klar.

Damit man bei Unsicherheit nicht ganz verloren ist, gibt es diese Faustregel: Beim Fugenelement in einer neuen oder unbekannten Zusammensetzung geht man gleich vor wie bei bekannten Zusammensetzungen mit dem gleichen Wort an erster Stelle:

Blumengruß (nicht *Blumegruß, *Blumgruß)
wie Blumenladen, Blumenstängel, Blumenwiese usw.

Gartenpflege (nicht *Gartenspflege)
wie Gartenanlage, Gartenbau, Gartencenter usw.

Baumzählung (nicht *Baumeszählung, *Bäumezählung)
wie Baumkrone, Baumstamm, Baumstruktur

Es handelt sich hier aber nur um eine Faustregel, die oft, aber bei weitem nicht immer ein zuverlässiges Resultat ergibt. Das zeigt auch Ihre Frage nach „Rindfleisch“ und „Rindsleber“ sehr gut. Hier kommen „erschwerend“ sogar noch regionale Unterschiede hinzu:

In Verbindung mit „Fleisch“ heißt es:

Rindfleisch, Kalbfleisch, Lammfleisch
aber: Schweinefleisch, Hühnerfleisch

Wenn die verschiedenen Fleischstücke benannt werden, verwendet man im Allgemeinen bei all diesen Fleischsorten ein Fugenelement, allerdings nicht überall das gleiche:

Rindsleber, Schweinsbraten (eher im Süden)
Rinderleber, Schweinebraten (eher im Norden)
Kalbssteak, Lammskeule (überall)

Die Antwort auf die Frage, warum das so ist, muss ich Ihnen schuldig bleiben. Viel weiter als das bereits erwähnte „Richtig ist, was üblich ist“ komme ich leider auch nicht. Wenn Deutsch Ihre Muttersprache ist, haben Sie damit meistens keine Probleme, denn Sie wissen, was üblich ist, ohne darüber nachdenken zu müssen. Für Deutschlernende hingegen sind die Fugenelemente neben den Fällen, den trennbaren Verben und der Wortstellung in Haupt- und Nebensatz eine weitere schier unerschöpfliche Quelle von Zweifel und Frustration. Das ist etwas dramatisiert, aber einfach ist es wirklich nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Start-und-Lande-Bahn oder Start- und Landebahn

Achtung: Nur für Fans eher langatmiger orthografischer Betrachungen!

Frage

In Zusammensetzungen aus Wortgruppe und Substantiv werden das erste Wort, das Grundwort sowie weitere substantivische Bestandteile groß geschrieben. Verbale Bestandteile müssten demnach kleingeschrieben werden, sofern es sich nicht um Substantivierungen handelt. Nun verzeichnet aber der Duden und alle weiteren Quellen, die ich bisher gefunden habe, die Schreibweise „Start-und-Lande-Bahn“ für eine „Bahn“ (Grundwort), auf der Flugzeuge „starten und landen“ (Wortgruppe zur Bestimmung des Grundworts). Nach eingangs formulierter Regel müsste die Schreibweise in meinem Verständnis aber „Start-und-lande-Bahn“ sein, denn eine Substantivierung des Bestandteils „lande“ kann ich hier nicht erkennen. In den einschlägigen Quellen wird jeweils nur darauf eingegangen, dass die Schreibweise „Start- und Landebahn“ zwar weit verbreitet, aber falsch ist, da hier eben keine Ergänzung im Sinne von „Startbahn und Landebahn“ gemeint ist, genau wie bei „Gewinn-und-Verlust-Rechnung“. […] Die Frage ist also: Was für eine Form ist das „Lande“ in „Start-und-Lande-Bahn“?

Antwort

Sehr geehrter Herr L.,

um es gleich vorwegzunehmen: Die vom gelben und einigen anderen Wörterbüchern vorgeschlagene (resp. übernommene?) Schreibung Start-und-Lande-Bahn halte ich für eine unschöne und unnötig komplizierte Lösung. Es geht hier um die Schreibung mit Bindestrichen und die Schreibung mit einem Ergänzungsstrich.

Man verwendet Bindestriche, wenn es sich um eine Zusammensetzung mit einer Wortgruppe handelt:

die Berg-und-Tal-Bahn
= die Bahn, die über Berg und Tal geht
nicht: die Bahn, die Bergbahn und Talbahn ist

die Nacht-und-Nebel-Aktion
= die Aktion, die bei Nacht und Nebel stattfindet
nicht: die Aktion, die Nachtaktion und Nebelaktion ist

das Katz-und-Maus-Spiel
= das Spiel, das dem Verhalten von Katz(e) und Maus gleicht
nicht: das Spiel, das Katzspiel und Mausspiel ist

Sturm-und-Drang-Periode
= die Periode des Sturm und Drangs
nicht: die Periode, die Sturmperiode und Drangperiode ist

Der Ergänzungsstrich wird bei der Zusammenziehung von Wörtern mit einem identischen Element verwendet (NB: Die folgenden vier Bsp. kommen aus Duden, »Deutsches Universalwörterbuch«, die ersten drei stehen auch in Duden, »Die deutsche Rechtschreibung«):

der Buß- und Bettag
= der Tag, der Bußtag und Bettag ist

die Maul- und Klauenseuche
= die Seuche, die Maulseuche und Klauenseuche ist

die Wach- und Schließgesellschaft
= die Gesellschaft, die Wachgesellschaft und Schließgesellschaft ist

der Bürsten- und Pinselmacher
= der Handwerker, der Bürstenmacher und Pinselmacher ist

Die Bahn, um die es hier geht, ist sowohl eine Startbahn als auch eine Landebahn, wie der Buß- und Bettag genannte Tag sowohl ein Bußtag als auch ein Bettag ist oder die Bürsten- und Pinselmacherin genannte Handwerkerin sowohl eine Bürstenmacherin als auch eine Pinselmacherin ist. Bei der Verwendung eines Ergänzungsstriches muss es sich also nicht zwangsläufig um mehr als eine Bahn, einen Tag oder eine Handwerkerin handeln. Ich halte aus diesem Grund diese Schreibung für besser:

die Start- und Landebahn
= die Bahn, die Startbahn und Landebahn ist

Die Schreibung Gewinn-und-Verlust-Rechnung ist dann richtig, wenn es sich um eine Gesamtberechnung von Gewinn und Verlust handelt. Man kann aber auch argumentieren, dass es sich um die Zusammenfassung der Gewinnrechnung und der Verlustrechnung handelt. Dann kommt man zur Schreibung Gewinn- und Verlustrechnung, die unter anderem im deutschen Handelsgesetzbuch verwendet wird.

Wenn wir nun dennoch von der Schreibung Start-und-Lande-Bahn ausgehen, dann gehört das e nicht zur Verbform. Es ist ein Fugenelement, das bei Zusammensetzungen aus einem Verbstamm und einem Substantiv stehen kann. Zum Beispiel:

Badesaison, Hängeschrank, Schweigeminute, Verladebahnhof
Landeanflug, Landeerlaubnis, Landeklappe, Landeeinrichtung/Lande-Einrichtung

Die Zusammensetzung sieht dann also eigentlich so aus:

schweig[en] + e + Minute -> Schweigeminute
land[en] + e + Bahn -> Landebahn
start[en] und land[en] + e + Bahn -> Start-und-Lande-Bahn

Ist das Element lande in dieser Zusammensetzung groß- oder kleinzuschreiben? Für beides gibt es Argumente: klein, weil es eine Verbform ist [?]; groß, weil es mit dem Fugenelement e steht und dadurch gewissermaßen substantiviert ist [?]. Die Fragezeichen sollen angeben, dass ich zwar zur Großschreibung (Start-und-Lande-Bahn) neigen würde, dies aber nicht wirklich eindeutig begründen kann. Außerdem bin ich, wie oben gesagt, sowieso für Start- und Landebahn.

Eines ist jedenfalls klar: Es besteht in diesem Bereich eine gewisse Unsicherheit …

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Gentiv-s oder Fugen-s?

Auch heute eine ziemlich theoretische Frage:

Frage

Ein Dr.Dr. behauptet, das „s“ in „Einkaufswagen“ sei ein Genitiv-s. Ich denke eher an ein Bindeglied. Wer hat recht?

Antwort

Sehr geehrter Herr R.,

das s, das zwischen den beiden Elementen einer Zusammensetzung stehen kann, ist aus dem Genitiv-s entstanden. Es hat seine Funktion und Bedeutung aber zu einem großen Teil verloren.

Ein Einkaufswagen ist nicht ein Wagen des Einkaufs, sondern ein Wagen für den Einkauf. Die Lebensfreude ist nicht die Freude des Lebens, sondern die Freude am Leben. Die Lieblingsfarbe ist nicht die Farbe des Lieblings usw. usw. Das s entspricht zwar der Form nach dem Genitiv-s (vgl. des Einkaufs, des Lebens, des Lieblings), es hat aber in Zusammensetzungen nicht immer eine genitivische Bedeutung.

In Verbindungen wie den folgenden, die sehr häufig vorkommen, hat das s erst recht nichts mehr mit einem Genitiv-s zu tun: Unterhaltungsmusik, Identitätsausweis, Operationssaal, Hochzeitstorte, Abfahrtsrennen, Ansichtssache … Keines der Wörter, die hier vor dem s stehen, bildet den Genitiv mit s.

Rein formal gesehen, ist das s in Einkaufswagen ein Genitiv-s, denn es entspricht dem s von des Einkaufs. Nach Funktion und (fehlender) Bedeutung ist es aber ein Fugen-s, das heißt ein Bindeglied, das vor allem dazu dient, den Übergang zwischen zwei Elementen einer Zusammensetzung zu markieren.

Je nachdem, wie man die Sache betrachtet, haben Sie beide recht. Das s in Einkaufswagen kann als Genitiv-s interpretiert werden. Es unterscheidet sich dann aber vom s in Unterhaltungsmusik, das ja kein Genitiv-s sein kann. Das s in Einkaufswagen kann auch wie in Unterhaltungsmusik als Fugen-s interpretiert werden. Dann lässt man aber die formale Identität mit dem Genitiv-s außer Acht. Letztlich ist es also vor allem eine theoretische Entscheidung, wie man dieses s nennen will.

Eine sehr ähnliche Diskussion lässt sich übrigens auch über die Fugenelemente führen, die einer Pluralendung entsprechen (z.B. in Rosenblatt, Hundebiss, Kinderhand). Siehe hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp